Der Herbst ist da
Morgens, wenn wir mit dem Fahrrad zur Schule fahren, ist es seit ein paar Tagen draussen so frisch, dass wir Handschuhe tragen müssen. Diese finden sich am Nachmittag zusammengestopft mit Mütze, Schal und Fleecejacke im Ranzen wieder. Hin und wieder klingt auf dem Nachhauseweg noch eine leise “Mir ist heiss”-Klage an mein Ohr, über dem Feld will die Sonne schon fast herabsinken, und ich trauere kurz dem Sommer nach.
Es gibt ja Sommer- und Wintermenschen. Und natürlich solche, denen die Temperatur ungefähr zwei Tage im Jahr passt – ansonsten ist es ihnen entweder zu heiss oder zu kalt :-). Ich gehöre zu den Sommermenschen. Mir sind 40 Grad lieber als 14. Von 4 ganz zu schweigen. Deshalb trauere ich innerlich um jeden Sommer. Egal, wie lang und schön er war, jedes Jahr kommt er mir zu kurz vor. Ich mache mit meiner Familie Sommer-Abschiedsrituale wie mehrere “letzte” Essen im Garten, auf den Sommer mit dem “letzten” selbstgemachten Smoothie aus Früchten der Region anstossen, ein letztes Mal am See erlauben, dass die Füsse ins Wasser dürfen, einige “letzte” Sommerpicknicks auf der Lieblingswiese, viel “letztes” Eis.
Die Natur atmet aus
Und doch kann ich nicht leugnen, dass auch der Herbst seine Schönheit hat. Der schwarze Holunder ist reif, die Brombeeren schon fast zu sehr. Ein Mähdrescher holt die Ernte ein. Wir essen später Zwetschgen, vielleicht back ich einen Kuchen. Der tiefe Stand der Sonne sorgt bei blauem Himmel für ein magisches Licht auf allem, da spürt man das Leben in der Schönheit der Natur. Diese gibt sich alle Mühe, uns zu umwerben mit ihren prachtvollen Farben und der Ruhe, die nach einem geschäftigen Frühling und Sommer des Neuanfangs und der Reife im Tier- und Pflanzenreich einkehrt, wenn die Wintervorbereitungen beginnen.
Die Natur baut sich Jahr für Jahr neu um, Tag für Tag. Gerade für die kleineren Kinder sind die Jahreszeiten wertvolle Orientierungspunkte im Jahr, dessen Aufteilung ohne Zahlenverständnis schwer zu erfassen ist. Der Herbst zeigt eindrucksvoll, dass es nun dunkler und kälter wird, und er belohnt uns mit bunten Blättern, die scheinbar endlos von den Bäumen rieseln, die man mit dem Fuss zusammenkehren und in die Luft werfen möchte. Die schönsten nehmen wir mit und pressen sie zwischen den Seiten dicker Bücher. Einige davon finden wir erst viel später wieder, die meisten aber verwenden wir für Basteleien. Dafür bekommen wir auch Kastanien, Eicheln, Bucheckern, all die Früchte, an denen die Bäume seit dem Frühjahr so fleissig gearbeitet haben, stehen nun in voller Pracht. Die Kürbisse sind reif und mit ihnen die Lust auf Suppe.
Dunkel, regnerisch und urgemütlich
Man muss wieder an Licht am Fahrrad und wetterfeste Kleidung denken. Die vom letzten Jahr ist natürlich inzwischen zu klein. Es wird so früh dunkel draussen. Irgendwie ist es schade, und irgendwie ist es schön. Nun werden “Nachtwanderungen” um 18 Uhr wieder möglich, die Kinder lieben es, mit Taschenlampen durch den Wald zu geistern und sich zu fühlen wie spät in der Nacht. Ein positiver Nebeneffekt des frühen Dämmerns ist, dass man die Kinder eher ins Bett bekommt, weil der Spruch “Es ist schon dunkel!” wieder sinnvoll eingesetzt werden kann
Nicht jeder Tag im Herbst ist golden, auch die Unwetter ziehen nun vermehrt übers Land. Macht nichts, drinnen können wir es uns sooo gemütlich machen. Wir wollen lesen, zusammen ein Bild malen und ganz viele Gesellschaftsspiele spielen. Die Familie sitzt zusammen an einem Tisch, der Würfel klackert und alle sind gespannt, was er anzeigen wird. Dazu mümmeln wir Kürbis-Spalten mit Öl und Salz aus dem Ofen. So köstlich wie Pommes! Oma strickt warme Socken für die Kinder, damit die Füsse den Winter überstehen und erzählt, wie sie als Kinder säckeweise Kastanien gesammelt haben für die Schweine eines Bauern, der ihnen ein bisschen Geld dafür gab.
Die Kinder freuen sich auf die Herbstferien. Entspannen nach all den neuen Herausforderungen. Ausgedehnt mit Lego spielen oder das Elfen-Schleich nochmal mit in den Garten nehmen. Hörspiel hören. Backen. Basteln und malen. Einfach mal nichts müssen. Vielleicht ist eine kleine Reise drin, aber auch zuhause kann man es geniessen und nach dem Beispiel der Natur den Winter vorbereiten. Bisschen dekorieren und die warmen Decken fürs Sofa hervorholen.
Wir haben ein grosses Fenster im Esszimmer. Letzten Frühling haben wir es mit allerhand Basteleien geschmückt, um den Sommer zu begrüssen – auch wieder so ein Ritual bei uns. Die keimenden Blätter auf den Ästen und die knospenden Blumen müssen weichen. Rot und Gelb und Braun zieht ein! Die Vögel balzen nicht mehr hoch im Baum, sie suchen nun auf dem Boden nach Futter oder machen die Biege in den Süden. Wenn ich ein Vöglein wär’. Die Fensterbank schmücken wir mit Kastanien, Blättern und sonstigem Fundmaterial des Herbstes. Am Fenster kleben nun Wolken am Himmel, der Wind wirbelt die Blätter hoch. Eichhörnchen springen herum.
Geschäftige Futtersuche überall
Wir erklären den Kleinen den Unterschied zwischen Winterschlaf und Winterruhe. Die Kinder schauen, ob draussen im Garten auch Eichhörnchen sind, die sich für die Winterruhe eindecken. Es dämmert. Walnüsse werden geknackt. Plötzlich ein Schrei, gedämpft, aber aufgeregt: “Ein Igel!” Am Tisch bleiben nur die Reste vom Basteln zurück. Alle sitzen um den Igel, er ist noch klein. Seine lange, glänzende Schnauze schnüffelt am Rasen. Wonach sucht er? Die Hände der Kinder verharren über den Stacheln. Sie wollen ihn so gerne streicheln, aber wo?
Seht Euch langsam satt, Kinder. Der Igel hat zu tun! Er sammelt auch für den Winter, aber da er ein Winterschläfer ist, sammelt er die Nahrung direkt in seinem Magen, um eine schöne dicke Fettschicht zu bekommen, die ihn während des Schlafs gut ernährt.
Noch ein Grund zur Freude auf den Herbst: Feste
Im Herbst kommen ein paar schöne Brauchtümer. Das Erntedankfest spielt vor allem auf den Dörfern noch eine Rolle. Das Vieh wird mit traditionellen Ritualen von den Wiesen in die Ställe getrieben. Wir freuen uns auch über die Ernte in unserem Garten. Die Zucchini und Zwiebeln aus eigenem Anbau schmecken unglaublich gut, viel intensiver als die aus dem Supermarkt. Für die Kinder ist Halloween das Grösste, wenn sie durch die Gegend spuken und Süssigkeiten sammeln. Als schlummere eine zuckerfixierte Igelseele in ihnen. Für mich als Kind war das Räbeliechtli-Fest toll, und heute als Mutter finde ich es auch noch wunderschön, wenn wir alle mit Laternen und im Chor singend die Dunkelheit erhellen.
Überhaupt hat der Herbst so eine Feierlichkeit, wie er duster und pustend über uns schwebt und uns auf den Winter einstimmt, warnend und tröstend zugleich. Hallo Herbst! Ich gebs ja zu: Wir freuen uns jetzt doch ziemlich auf Dich.
Jetzt Du!
Was magst Du am Herbst am liebsten? Gibt es eine besondere Herbst-Anekdote aus Deinem Familienleben? Hast Du ein tolles Rezept auf Lager, das Du mit uns teilen möchtest? Habt Ihr was Tolles gebastelt? Ich interessiere mich für alles, was den Herbst noch schöner macht und kann Deinen Beitrag kaum erwarten.
Alles Liebe,
Deine Bylle von kidz.ch